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Juni
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Ausgewählte Regelungsvorschläge, die für das Systemmodell diskutiert werden sollen:
Schutzmaßstab des Bauordnungsrechts ist traditionell die Gefahrenabwehr. Der „Vorsorgeansatz“ ist hingegen nicht explizit benannt. Eine Hervorhebung der gesunden Wohn- und Arbeitsverhältnisse sowie auch den Belang des Umweltschutzes enthalten bspw. § 3 Abs. 2 S. 1 NdsBO sowie § 4 S. 1 RP BO. Aus der Nennung unterschiedlicher Schutzziele in den jeweiligen Landesbauordnungen wird deutlich, dass die allgemeinen Anforderungen in den Landesbauordnungen als Teil des politischen Programms des jeweiligen Landes für eine stärkere Akzentuierung der Anpassung an den Klimawandel durchaus offenstehen. Eine an diesem Vorbild orientierte Aufnahme des Schutzziels Klimaanpassung soll diskutiert werden.
Die Regelungen zu den örtlichen Bauvorschriften variieren je nach Ausgestaltung der jeweiligen Landesbauordnung. Defizite bezüglich möglicher Klimaanpassungsmaßnahmen können insbesondere in den Bundesländern auftreten, in denen die Landesbauordnung keine entsprechenden Ermächtigungsgrundlagen vorsieht.
Für die unbebauten Flächen der bebauten Grundstücke kann gemäß § 86 Abs. 1 Nr. 5 MBO lediglich die ”Gestaltung“ geregelt werden. Ob hierunter auch Pflanzvorgaben fallen ist fraglich. Hier gehen einige Landesbauordnungen deutlich weiter, indem sie z. B. die Satzungsermächtigung ausdrücklich auch auf die Bepflanzung der Freiflächen mit Bäumen und Sträuchern und eine gärtnerische Anlegung und Unterhaltung für bestimmte Bereiche, wie Vorgärten, erstrecken (vgl. § 86 Abs. 1 Nrn. 5 und 6 BremLBO, Art. 81 Abs. 1 Nr. 5 und Nr. 7 BayBO, § 86 Abs. 1 Nr. 4 BauO NRW a. F.). Entsprechende Regelungsinhalte sollten auch in § 86 Abs. 1 MBO aufgenommen werden.
Weiterhin sehen einzelne Landesbauordnungen im Gegensatz zur Musterbauordnung Regelungen zum Umgang mit Regenwasser vor (vgl. §§ 74 Abs. 3 Nr. 2 LBO BW, 85 Abs. 2 SaarlBO, 84 Abs. 3 Nr. 8 NBO). Nach diesem Vorbild könnte § 86 MBO durch eine Regelung ergänzt werden, wonach Gemeinden durch Satzung bestimmen können, dass Anlagen zum Versickern von Niederschlagswasser geschaffen werden, um die Abwasseranlagen zu entlasten, Überschwemmungsgefahren zu vermeiden und den Wasserhaushalt zu schonen, soweit gesundheitliche oder wasserwirtschaftliche Belange nicht beeinträchtigt werden.
2. Weiterentwicklung des Baugesetzbuches (BauGB) v.a. mit Fokus auf die Unterstützung von Entsiegelung und Begrünung
Liegt kein Bebauungsplan vor, so richten sich die Anforderungen an die bauliche Entwicklung im Innenbereich nach § 34 BauGB. Dieser bietet aber kaum Möglichkeiten, auf eine Klimaanpassung in urbanen Quartieren hinzuwirken. Denn die Zulässigkeit von Bauvorhaben im unbeplanten Innenbereich orientiert sich an der in der Umgebung vorfindlichen Belastungssituation. Ist beispielsweise die Umgebung bereits stark versiegelt, so kann sich ein mit einer hohen weiteren Versiegelung verbundenes Bauvorhaben gleichwohl einfügen, weil es in diesen Rahmen passt. Ein gewisses Korrektiv stellt lediglich die Norm des § 34 Abs. 1 S. 2 BauGB dar, wonach Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse gewahrt bleiben müssen. Dieses Kriterium wird allerdings von der Rechtsprechung sehr eng ausgelegt. Hier sollte der Gesetzgeber tätig werden, um der Klimaanpassung stärker zur Beachtung zu verhelfen. Dies könnte z. B. dadurch erfolgen, dass Mindestanforderungen an die Begrünung oder den Wasserrückhalt als weitere Zulässigkeitsvoraussetzungen in den § 34 BauGB eingeführt werden.
Nach § 13a BauGB ist für die Aufstellung von Bebauungsplänen der Innenentwicklung ein beschleunigtes Verfahren zulässig. Die Beschleunigung wird u. a. dadurch erreicht, dass die Umweltprüfung entfällt bzw. nur nach einer Vorprüfung des Einzelfalls durchzuführen ist und bei einer Grundfläche von weniger als 20.000 qm darüber hinaus im beschleunigten Verfahren keine Verpflichtung bzw. sogar ein Verbot besteht, für die geplanten Eingriffe Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen festzusetzen oder zu vereinbaren (§ 13a Absatz 1 S. 2 Nr. 1 i. V. m. Abs. 2 Nr. 4 BauGB). Aus Sicht der klimaresilienten Stadtentwicklung erweist sich die Regelung als problematisch: Sollten mit der innerstädtischen Bebauung Eingriffe in Natur und Landschaft verbunden sein, bedeutet dies, dass für diese kein Ausgleich bzw. Ersatz vorgesehen ist. Zudem besteht die Gefahr, dass durch die Befreiung von der Umweltprüfung klimatologische Potenziale innerstädtischer Brach- und Freiflächen nicht erkannt bzw. nicht ermittelt und entsprechend nicht geschützt bzw. ausgeglichen werden. So kann die Nachverdichtung zum Verlust von Freiräumen führen, die im Hinblick auf die Klimaanpassung gegebenenfalls erhalten werden sollten.
3. Weiterentwicklung des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG)
Gemäß § 55 Abs. 2 WHG soll Niederschlagswasser ortsnah versickert, verrieselt oder direkt oder über eine Kanalisation ohne Vermischung mit Schmutzwasser in ein Gewässer eingeleitet werden, soweit dem weder wasserrechtliche noch sonstige öffentlich-rechtliche Vorschriften noch wasserwirtschaftliche Belange entgegenstehen. Allerdings räumt § 55 Abs. 2 der Versickerung keinen Vorrang ein. Die Wasserstrategie der Bundesregierung sieht daher eine Änderung des § 55 WHG vor, der Versickerung den Vorrang zu geben, wo es sinnvoll, verhältnismäßig und umsetzbar ist. [1]
Klar geregelt werden sollte in § 55 Abs. 2 WHG auch der Grundsatz der Vermeidung der Entstehung von Abwasser. Dem Begriff des Niederschlagswassers – Voraussetzung für die Anwendbarkeit des Abwasserregimes der §§ 54 ff. WHG – unterfällt nur solches Niederschlagswasser, welches „gesammelt“ abfließt (§ 54 Abs. 1 Nr. 2 WHG). Das ist bei Wasser, welches auf eine Fläche auftrifft und gleich versickert, streng genommen nicht der Fall. Der Sinn und Zweck der Vorschrift spricht bereits dafür, entsprechende Wasserrückhaltemaßnahmen wie z. B. Entsiegelungen in den Vorrang des § 55 Abs. 2 WHG einzubeziehen (teleologische Auslegung). Eine entsprechende klare gesetzliche Regelung wird zur Vermeidung von Rechtsunsicherheit vorgeschlagen.[2]
Die teilweise bereits in einigen Landesgesetzen vorgesehenen Abwasserbeseitigungskonzepte sollen im WHG als siedlungswasserwirtschaftliche Fachplanung eingeführt werden[3] oder in sämtlichen Landeswassergesetzen normiert bzw. dort ggf. fortentwickelt werden.[4] Als Vorbild können insoweit bereits existierende landesgesetzliche Regelungen dienen, die als obligatorischen Bestandteil des Abwasserbeseitigungskonzepts ein Niederschlagswasserbeseitigungskonzept (NBK) vorsehen (vgl. § 47 Abs. 3 LWG NRW, § 79 Abs. 4 WG LSA). Ein NBK dient dem weitestgehenden Erhalt des natürlichen Wasserhaushalts beim Umgang mit Niederschlagswasser. Verdunstung und Grundwasserneubildung sollen dabei bestenfalls erhalten bleiben.[5] Auch Elemente des Hochwasserrisikomanagements und der Überflutungsvorsorge sollen in die gesetzlichen Anforderungen an die Stadtentwässerungsplanung einbezogen werden. Zudem wird die Notwendigkeit hervorgehoben, das NBK mit den städtebaulichen Nutzungen abzustimmen.
Nach dem Vorbild einiger landesrechtlicher Vorschriften wird vorgeschlagen, in das WHG Regelungen aufzunehmen, welche Anordnungsermächtigungen zur Niederschlagseigenbewirtschaftung normieren.[6] Beispielsweise heißt es in § 36a Abs. 1 Satz 1 BWG (Berliner Wassergesetz) „Soweit eine Verunreinigung des Grundwassers nicht zu besorgen ist oder sonstige signifikante nachteilige Auswirkungen auf den Zustand der Gewässer nicht zu erwarten sind und sonstige Belange nicht entgegenstehen, soll Niederschlagswasser über die belebte Bodenschicht versickert werden.“ Liegen diese Voraussetzungen vor, so können Nutzungsberechtigte von Grundstücken zu Maßnahmen der Versickerung, Reinigung, Rückhaltung oder Ableitung von Niederschlagswasser durch Rechtsverordnung verpflichtet werden.
[1] BMUV, Wasserstrategie, Aktion 13, S. 88; Reese et al., Wege zum abflussfreien Stadtquartier - Potentiale, Wirkungen und Rechtsrahmen des ortsnahen Schmutz- und Regenwassermanagements, 2023, S. 119.
[2] Reese, ZUR 2020, S. 43.
[3] Insofern ist das Durchgriffsverbot des § 84 Abs. 1 S. 7 WHG zu beachten. Demnach ist die interne Zuweisung dieser Aufgabe den Ländern zu überlassen, Reese, ZUR 2020, S. 49.
[4] Reese, ZUR 2020, S. 48 f.; Reese et al., Wege zum abflussfreien Stadtquartier - Potentiale, Wirkungen und Rechtsrahmen des ortsnahen Schmutz- und Regenwassermanagements, 2023, S. 167.
[5] LANUV NRW, Nachhaltiges kommunales Niederschlagswasserbeseitigungskonzept, 2015, S. 8; https://www.lanuv.nrw.de/fileadmin/lanuvpubl/4_arbeitsblaetter/40024.pdf.
[6] Reese et al., Wege zum abflussfreien Stadtquartier - Potentiale, Wirkungen und Rechtsrahmen des ortsnahen Schmutz- und Regenwassermanagements, 2023, S. 160 ff.; Pannicke-Prochnow et al., Entsiegelungspotenziale, 2021.
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